DR.PHIl.I
KUNST- UND ARCHITEKTURHISTORIKERIN
AUTORIN
Lukas Hofkunst — Facettenreiches Oeuvre

An der Lessingstrasse in Zürich fällt von weitem eine mannshohe Eisenbalustrade auf. Von nahem erweist sie sich als Gebilde aus anthropomorphen, nahe beieinanderstehenden skulpturartigen Metallfiguren. In ihrer Gegenwart spürt man ihre Energie und quirlige Lebendigkeit. Zuweilen erwecken die Figuren den Eindruck, als würden sie Feuer speien, oder sich in vertraulicher Haltung dem Betrachtenden zuneigen. Lukas Hofkunst schuf sie aus Einzelteilen, um sie anschliessend zusammenzusetzen. Es ist der Installation anzusehen, dass der Künstler äusserst spontan arbeitet. Sein bevorzugtes Material ist Stahl. Mittels Schmiedearbeit gelingt es ihm, schnell und leichthin unterschiedlichste Formen zu erzeugen, denn unter Hitzeeinwirkung wird das Material weich. Es bricht nicht und lässt sich beim Schmieden biegen und dehnen; ist man mit der Form unzufrieden, kann man sie verändern und neu modellieren. Dies läuft oft auf etwas Unerwartetes hinaus, während die Spuren künstlerischer Prozesse sichtbar bleiben. Wohl mit ein Grund, dass die Objekte von Hofkunst einerseits archaisch anmuten, sich andererseits der Moderne verpflichten.

Mit kunsthistorischen Kategorien wird man dem facettenreichen Werk des Künstlers, das zwischen den Gattungen oszilliert, nicht gerecht. Vor einiger Zeit fragte er sich, ob er nun Kunst oder Design mache, schafft er doch Werke in diesem Grenzbereich.

Die Werke aus der Reihe «Objet Libéré» von 2017, so der «Violet Royal», «Table de nuit», «Corbeille», «Gesell» oder «Coiffeuse» (S. xx) zeigen Lukas Hofkunst als phantasievollen Schöpfer von originellen Objekten. Dem ist inhärent, dass das Handwerkliche allen Objekten und Installationen zugrunde liegt, was das Werk von Hofkunst auch auszeichnet. Angetrieben wird er bei seiner intuitiven, unplanmässigen Arbeitsweise von dem unbekümmerten Drive des Rock’n Roll, Blues und Soul der siebziger und achtziger Jahre, insbesondere der Rolling Stones, Janis Joplin, Van Morrison und vielen anderen. Deren Musik empfindet er als dynamisch, energetisch und unberechenbar. Mit diesen Eigenschaften möchte er auch seine Werke beleben. Es entsteht Improvisiertes wie bei einer Jamsession. Vergleichbar der unmittelbaren Einwirkung des Sounds von Rock n’Roll ist es dem Künstler ein Anliegen, dass seine Werke zugänglich sind. Darin sieht er sich Jean Tinguely, Niki de Saint Phalle, und vielleicht dem Frühwerk von Bernhard Luginbühl verwandt. Neben David Hockney bedeuten ihm diese Künstler, gemäss seiner Aussage, eine Inspirationsquelle.

Eine eigenständige Formensprache entwickelte Hofkunst im Zusammenklang der eher fragilen «Objets Libérés» (Abb. S. xx) mit den oft überdimensionierten, brachial anmutenden Schmiedearbeiten. In dieser krassen Gegensätzlichkeit liegt nicht zuletzt auch der Grund für das variable und spannungsreiche Formenvokabular, das auch die zweidimensionalen Arbeiten kennzeichnen. Daher verwundert es kaum, dass man beim Betrachten des stilpluralistischen Werkes von Hofkunst immer wieder aufs Neue überrascht wird.

 

Eisen- und Drahtfiguren

Die vielfach durchlässigen Filigranskulpturen von Hofkunst und die grazilen, gebogenen Stahlformen wie «Parasol», 2017 (Abb. S. xx), die Lichtinstallation für das Wohn- und Pflegezentrum Blumenrain Zollikon, 2016, oder die Gestaltung der schwarzen Hausfassade an der Hammerstrasse, Basel, 2014 (Abb. S. xx), sind eigentlich abstrakte Zeichnungen im Raum.

Auch die ephemere Schmiedearbeit «Artwork in Progress» auf dem Areal des Hardturm-Stadions bestand aus gebogenen linienhaften, bald abstrakten, bald figurativen Gebilden (Abb. S. xx). Sie besetzten mit scheinbar kreisend zirkulierenden Bewegungen den Stadionplatz zwischen Juli und September 2014. Nach dem 2008 erfolgten Abbruch nutzte Hofkunst den riesengrossen, asphaltierten Platz, dessen spektakuläre Weite und Offenheit ihn elektrisierte. Auf diese Situation antwortete der Künstler mit bis zu 12 Meter hohen Gestalten. In einer arbeitsaufwändigen Herstellung liess er das Spontane und Lebendige einfliessen. Er übermalte die Konfigurationen aus Eisen ganz in weiss. Dadurch wirkten die Riesen leicht und beweglich; so sehr, dass sie dem einen oder anderen Betrachtenden suggerieren mochten, da würde für das nächste Spiel trainiert. Während des Arbeitsprozesses wässerte der Künstler den Platz. Die Gebilde spiegelten sich im Nassen. Abends entzündete Hofkunst jeweils ein grosses Feuer im Zentrum des Platzes, welches die weissen Eisenobjekte zum Funkeln brachte. Sie verschmolzen mit den in Rot-, Grün- und Blautönen gespiegelten Figuren und bildeten ein irrlichterndes Szenarium.

Wenig später konnte Hofkunst die ephemere Gestaltung von linienhaften Gebilden in einer Kunst-am-Bau-Intervention dauerhaft etablieren. Zur Gestaltung der Hausfassade lud ihn der Hauseigentümer der Hammerstrasse 73 in Basel ein (S. xx). Die renovierte klassizistische Fassade ruht auf einem schwarz bemalten Sockelgeschoss, das von Lisenen unterteilt ist. Die schwarze Fassade kontrastiert mit der weissen Dachuntersicht und den weissen Fensterrahmungen samt Bekrönung. Die geometrisch strenge Rhythmisierung der Fassade hat Hofkunst aufgebrochen, indem er die gebogenen und verdrehten, weissen Stahlformen über die dunkeltonige Fassade und die Fenster kriechen liess. Die grazilen Stahlformen erweisen sich eigentlich als abstrakte Zeichnungen im Raum und scheinen auf der Fassade und um die Fenster herum zu tanzen oder sie auch schlangenartig zu ertasten.

Bildhauerei und Zeichnung bilden in der Kunstgeschichte seit Langem eine untrennbare Paarung, indem die Zeichnung für eine Werkentwicklung steht und die Skizze zur Formfindung verwendet wird. Im Fall von Lukas Hofkunst wird die Zeichnung durch die Anwendung von lackiertem Stahl selbst zur Bildhauerarbeit. Diese zeichnungsartigen Objekte werden in der Arbeit «Hoflicht» zu Lichtinstallationen transformiert. Sie besteht aus einer Reihe von geschwungenen Kupferrohren, die überwiegend parallel angeordnet und zu einer Installation in den Raum gespannt sind. Im aufgeschlitzten Rohrinnern sind weisse LED-Lichtquellen eingelassen (S. xx-xx). Dies verleiht den Kupferrohren eine Art von hell leuchtender Aura und vermittelt eine energetisierende Intensität, sodass sie sich zu bewegen scheinen. Es eröffnen sich hier vielfältige Wahrnehmungsspiele, welche die zeitlose Dimension des Lichts bezeugen. Das Licht offenbart hier die Magie seiner Immaterialität und lässt gleichzeitig ein Spiel mit lichtvollen Konfigurationen erleben. Mir kommt es vor, als habe Lukas Hofkunst hier Licht eingesetzt, um die Welt des Materiellen in Schwingung zu versetzen.

Von eher malerischer Wirkung ist das baumähnliche «Silberdach» (Abb. S. xx) der Olé-Olé-Bar an der Zürcher Langstrasse. Mit seinen «Edelstahlblättern» wird das Licht in all seinen Schattierungen und Farbspielen reflektiert und an der Hausfassade erzeugt die Installation Schattenkonfigurationen. Besonders nachts verbreitet die Skulptur mit seinen Lämpchen eine einladende und warmherzige Atmosphäre. Dieses Flair bergen auch die Arbeiten «Wogen» (Abb. S. 32) und «Changeant, En passant, Mirage, Apparence» (Abb. S. 30). Sie bestehen aus diversen abstrakt-figurativen Reliefs aus Edelstahl. Die Edelstahlplatte ist stark bearbeitet, profiliert und poliert, so dass sich neben der räumlichen Dimension Erscheinungen wie Spiegelungen, Leuchten oder Schatten einstellen.

Auch die sich in St. Chinian befindenden drei Skulpturen «Trieb», «Schössling», «Keim» (Abb. S. xx) reflektieren das Licht sehr vielfältig. Mit ihren hohen, lackierten Stahlstielen erinnern sie an hochgewachsene Birken. Ihre grossformatigen, lanzettenartigen Blätter aus Edelstahl scheinen aus den Stielen zu spriessen. Sie nehmen die Farben der landschaftsartigen Umgebung auf und erzeugen changierende, farbliche Lichterscheinungen.

 

Überraschende, paradoxe Momente

Im Gegensatz zu den Installationen und den Skulpturen sind die Arbeiten auf Papier seit 2008 bald figurativ und ornamental, bald abstrakt. Mit dem Zeichnen und der Malerei tat sich Lukas Hofkunst eine neue Welt ohne statische Problemstellungen und mechanische Überlegungen auf. Seit den Malereien wie «im Freien», «Seelandschaft», «Wolke I + II», den Hinterglasmalereien «Seeland» und «Wasserhimmel» (S. xx) zeigen sich vergleichbare Arbeitsprozesse der Konstruktion, Dekonstruktion und Rekonstruktion wie bei den Eisenarbeiten. Hofkunst malt und übermalt, bis sich ein überraschender, vielversprechender, gelungener, auch paradoxer Moment einstellt.

Neben den abstrakten, an André Thomkins «Lackskins» erinnernden Kompositionen wie «Flug», «Augenblick» und «Eisenglanz», stellen die Zeichnungen Porträts und Ganzfiguren dar. Auffallend sind die sinnlichen, starken und selbstbewussten Frauengestalten. Die Werke leben von einem sehr befreiten, dynamischen und zuweilen expressionistischen Strich. Teils neigen sie ins Karikaturhafte, teils sind sie von kraftvoller und direkter Wirkung erfüllt.

Eine Freude am ornamentalen Motiv schlägt sich in «Fliederschatten» nieder oder in «Blüte», das als «All-over-Painting» verdichtet ist. In «Wasserhimmel» und «Wolkenball», «Abendlicht» oder «L’été indien» (S. xx) kündigt sich zuweilen eine mystische Dimension an. Es klingt eine Reminiszenz an die Malereien in gotischen Kathedralen an, die mit Vorhangmotiven das Transzendentale symbolisieren.

Die Sehnsucht nach Entgrenzung, der Sinn für das Wunderbare, die Nacht und die poetische Mystik spornte Hofkunst zur Schaffung der Serie «Univers» (S. xx) an, zumal Gedanken über das Universum, den Künstler «zur ultimativen Bewusstseinserweiterung» führen. Zweifellos drückt diese Serie eine zarte und poetische Seite von Hofkunst aus, die gespiesen wird von der Epoche der Romantik und ihrer damaligen Haltung, welche dem Empfindsamen huldigte. Dem Geist der Romantik und der in der damaligen Zeit neubewerteten und bewunderten Gotik fühlt sich Hofkunst verbunden. Die Wertschätzung mittelalterlicher Kulturgüter, insbesondere der gotischen Ruinen im 19. Jahrhundert, haben wir bekanntlich unter anderem dem Philosophen und Romantiker Friedrich Schlegel zu verdanken.

Die dieser Philosophie entsprechende Vorstellung, dass wir uns zu «Sternenstaub» (Abb. S. xx) transformieren, hatten gleichnamige Werke zur Folge. Die schwarzen, zum Teil grossformatigen Bilder sind mit Silberpartikeln übersät und erinnern an die flächendeckenden, grenzenlos wirkenden Bilder des Nachthimmels der amerikanischen Künstlerin Vija Celmins.

 

Einheit von Kunst und Leben

Mit Passion zelebriert Lukas Hofkunst die Einheit von Kunst und Leben. Dies manifestierte sich anfänglich in einer Wohn-, Werk- und Wirkstätte in der ehemaligen Giesserei in Zürich-Oerlikon (Abb. S. xx). Von derselben Atmosphäre lebt auch sein Zweitwohnsitz mit integriertem Atelier in Südfrankreich, auf den von weitem der nahe stehende, acht Meter hohe Turm, «La tour d’Eve» (Abb. S. xx) hinweist. Seine Konstruktion besteht aus filigranen, geschwungenen Rundeisen und aus Formen von dreieckigen, ovalen und kreisförmigen Flügeln. Das Objekt entpuppt sich als überaus geschmeidig und biegsam. Den Auftakt bildete die erste «Bloom»-Skulptur, 2016 (Abb. S. xx), ein hohes schirmartiges Gebilde. Sie ist nicht nur ein Projekt ohne absehbares Ende, sondern steht für die Verheissung von Gebilden, die scheinbar in den Himmel wachsen, und einen Blick, wenn nicht Überblick ins weite Land gewähren. Dennoch eignet ihm eine Leichtigkeit wie den legendären Mobiles von Alexander Calder an. Davon sprechen neben dem Turm in Saint-Chinian mehrere Entwürfe und Modelle von bis zu 18 Meter hohen Skulpturen, welche Hofkunst realisieren will (Abb. S. xx). Der Turm ist nicht nur eine Skulptur, sondern auch ein wahrer Tempel der Geselligkeit und Sinnlichkeit. Ihm wohnt ein partizipatives Element inne: soll es doch Kunstfreunde und Anverwandte einladen, eine gute Zeit zu verbringen.

Auch in der himmelstürmenden Geste dieser Gebilde spiegelt sich Hofkunsts Bewunderung für gotische Kathedralen mit ihren unglaublichen Dimensionen, der Bauweise mit ihrer filigranen Eleganz, üppigen Ornamentik und ihrer grenzensprengenden Inszenierung mit Licht. Davon ist der Künstler in Bann gezogen und meint: «Das müssen Tempel des Lebens und der Freude gewesen sein, wenn man sich dann noch die Farbigkeit der Mauern vorstellt, Energie pur!».

 

Werkplatz

Zahlreich sind die Werkplätze, die Lukas Hofkunst hatte oder kurzfristig in Beschlag nahm. Seien es verlassene Gebäude, weitläufige Ateliers wie an der Lessingstrasse, an der Weststrasse oder in der ehemaligen Verteilzentrale COOP Zürich (S. xx). Hier richtete der Künstler 2010 eine Einzelausstellung mit grossformatigen Bildern und himmelblauen Stahlskulpturen ein. In Seebach in der ehemaligen Ausstellungshalle der Ruag AG gründete er mit seiner Frau Eva-Maria den Offspace «Kunstsalon-Seebach», wo seine und andere Werke präsentierte wurden (Abb. S. xx). 1996 ergab sich die Chance, die stillgelegte ehemalige Giesserei in Zürich zu mieten (Abb. S. xx). Dort fand Hofkunst einen spektakulären Standort für eine Werkstatt samt Wohnstätte. In der grossen Giessereihalle errichteten er und seine Compagnons neben einer Bar ein kolossales Cheminée. Die durch Sprossen in rechteckige Felder geteilten, grossformatigen Fenster bemalte Hofkunst in verschiedenen kräftigen Farben.

So kontrastieren sie mit den alten Giessereimauern und tauchen das Intérieur in ein farbenprächtiges Lichtspiel.

Um ihr Budget aufzubessern, kochte Hofkunst mit zwei Freunden jeweils sonntagabends ein opulentes Mahl, das oft zu einem Gelage ausartete. Der Anklang war derart gross, dass sie einen illegalen Bar- und Restaurationsbetrieb aufnehmen konnten. Drei Jahre später wurde die Giesserei in die Legalität überführt. Mehrmals jährlich organisierte Hofkunst auch hier Ausstellungen mit eigenen neuen Werken. Dank dem Eigentümer und den heutigen Betreibern ist die Giesserei mit der von ihm entworfenen Einrichtung noch immer weitgehend unverändert erhalten.

Da Hofkunst sich mit Vorliebe im Freien bewegt und arbeitet, sind Plätze im Freien für ihn eine enorme Verheissung. Dies war besonders bei der «Stadionbrache» Hardturm der Fall als Hofkunst 2014 den riesigen, asphaltierten Platz nutzte und darauf die ephemere, überdimensionale Schmiedearbeit «Artwork in Progress» entwickelte.

Gross und weitläufig musste und muss eine Ateliersituation sein mit stimmiger Umgebung, und noch besser, wenn das Atelier gleichzeitig ins Freie verlegt werden konnte und kann und Hofkunst da eine Art «Sandkasten» vorfindet. Wie etwa in Valras Plage, nahe St. Chinian, wo der Künstler auf einen Werkplatz am Meer stösst. Eine Aufnahme zeigt ihn, wie er ein grosses Blechstück mit dem Hammer bearbeitet und in die gewünschte Form bringt, wobei ihm der Sand als Matrize dient (Abb. S. xx). Immer wieder geleitet vom Diktum von Jean Tinguely «Seid frei, lebt» bedeutet der Werkplatz für Lukas Hofkunst nicht nur die Einheit von Kunst und freiem Leben, sondern auch fast etwas Kultisches, das im Atelier in Frankreich idealiter verwirklicht scheint.

 

Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln, 2023