DR.PHIl.I
KUNST- UND ARCHITEKTURHISTORIKERIN
AUTORIN
Garda Alexander. Light Colour Form

Leuchtend, schillernd und energetisierend treten uns die Farb- und Lichträume von Garda Alexander entgegen. Es würde viel zu kurz greifen, ihre Arbeiten als abstrakt-konkret zu bezeichnen. Wohl figurieren geometrische Formen in ihren Bildern sowie Lichtkreise hinter quadratförmigen Plexigläsern. Auch finden sich elementare Symbole wie Kreuz, Halbkreis und Kreis im Zentrum von monochromen Oberflächen. Dank dieser Kompositionsweise tritt der ikonische Charakter von geometrischen Formen stärker in Erscheinung und verweist auf ihre symbolhafte Dimension.

Doch im Laufe der Zeit hat sich die Künstlerin die auflösenden Tendenzen von Farbe und Licht nutzbar gemacht. Besonders das Licht setzt sie ein, um die Welt des Gegenständlichen in Energie umzuwandeln; so etwa wenn ein Licht in den Tiefen des Bildgeschehens flimmert oder schwelt, oder, wenn es im Widerschein eines Lichtobjekts reflektiert wird. Garda Alexander lotet die Atmosphäre und Wahrnehmungsspiele von Farb- und Lichträumen aus, indem sie die selbst hergestellten Farben aus reinen, natürlichen Pigmenten in mehreren Schichten aufträgt, und das Bild mit jeder neuen Farbschicht erforscht. Die Intensität seiner Strahlkraft nimmt zu und verändert sich je nach Lichteinfall. Es entstehen wahre «Energiefelder». Die zum Energieträger mutierte Farbe brachte die Künstlerin dazu, sich auf das werkimmanente Licht zu konzentrieren. Sie integriert ringförmige Neonlampen in ihre Werke und setzt sie hinter Plexiglas. Das Licht produziert Schatten wie eigentlich in jeder Hell-Dunkel-Malerei, die sich auf die Darstellung des Lichts konzentriert. Gleichzeitig bildet es den körperlosen Gegenpol zu dem aus Farbfeldern bestehenden Werkteil aus Leinwand.

So dienen ihr die Lichtobjekte dazu, die Positiv- und Negativ-Disposition, sprich das Prinzip der Dualität, hinter sich zu lassen, und eine Vorstellung von Einheit zu visualisieren. Die Werke mit den Lichtkreisen strahlen nicht nur auf den gemalten Leinwandteil, sondern in den Raum und vereinnahmen ihn, sodass Lichträume entstehen. So war es nur konsequent, dass Garda diese Werke verobjektivierte und Lichtkuben schuf. Damit vermittelt sie Impulse zum bewussten Wahrnehmen von Licht, das sie als eine Mischung aus Energie, Materie und Information versteht. Schliesslich setzt sie sich mit der Lichtkultur in der Spannweite zwischen Reflexion und Reflektion auseinander. Während das Licht der sinnlichen Wahrnehmung als Reflexion, Spiegelung, Projektion, Schein oder Glanz erscheint, ist Reflektion ein intellektueller Vorgang, ein Begriff für Kulturleistungen, der sich metaphorisch als «Licht des menschlichen Geistes» zu erkennen gibt.

 

Energiefelder und Tracks

 

Zur Werkgruppe der Farbfelder gehören die «Energiefelder», vgl. S. 13 bis 17 und S. 53 bis 55. Daraus haben sich die Kartonarbeiten und die Tracks, vgl. S. 62 bis 71, weiterentwickelt. Charakteristisch ist das hier vorherrschende Kompositionsprinzip, das aus zwei, seltener drei Farbfeldern besteht. Sie teilen die Leinwand mal horizontal, mal vertikal. Ein Werk aus der Serie «Tracks» bildet ein Diptychon aus zwei Farbfeldern, dessen eine Seite von einem orangefarbenen Lackfirnis überzogen ist. Darüber scheinen in diagonaler Richtung schwarze Linien dahinzuschlenkern, vgl. S. 61. Begleitet werden sie von mal luftig, mal präzise gesetzten Punkten, die sich da und dort zu «Nestern» verdichten, so, als würde ein Luftstoss sie in eine Ecke fegen. Vergleichbar einem Schwarm schwarzer Fliegen, scheinen sie die geschlossenen, monochromen Flächen zu durchbrechen und gleichzeitig zu verbinden. Mit diesen Drippings hält eine spielerische und gestische Dynamik Einzug in die bis anhin harmonische Bildgestaltung und drängt die frühere Rationalität und den Sinn für ästhetische Harmonie etwas in den Hintergrund.

Oft herrscht in den «Tracks» eine gewisse Strenge vor, die durch Drippings, lineare und gestische Figuren oder Kleckse in weissen, schwarzen oder braunen Pigmenten relativiert wird, stellen sie doch zwischen den zwei Farbfeldern eine Verbindung her. Die Farbfelder basieren auf sublimen Farbkonzepten; etwa wenn reine Farbstreifen aus separat produzierten Pasten sorgfältig nebeneinander gesetzt sind, sodass sie weder Nuancierungen noch einen Duktus erkennen lassen. Die Farbkombination strahlt voller Lebenskraft und Freude und evoziert Heiterkeit und Lebendigkeit. Diese Wirkung mag von Gardas Reisen in fremde Kulturen inspiriert sein, wo viel intensivere Farb– und Lichtwelten vorherrschen.

 

Wahrnehmungsspiele

 

Seit der anfänglichen Beschäftigung mit der monochromen Gestaltungsweise schuf die Künstlerin mit den Tracks, den Energiefeldern und den Kartonarbeiten Kompositionen, die den mal subtilen, mal kontrastreichen Unterschied der Farbfelder herauskristallisieren. In einem sehr konzentrierten, meditativen Arbeitsprozess trägt sie die verschiedenen Farbschichten mit dem Pinsel auf. Die Vielschichtigkeit erzeugt einen Farbkörper- oder -raum, besonders wenn den Werken noch eine Struktur aus Sand eingearbeitet ist. Auf der dadurch rauh gewordenen Oberfläche bricht sich das Licht. Bei den Werken auf S. 53, 54, 55 trägt sie nach Fertigstellung des Farbraumes abschliessend Kaltlack auf, den sie grossflächig über die Farbfelder giesst und danach mit der Hand verteilt. Die Pigmente, die wie Schattenfelder wahrgenommen werden, sind — anders als die Drippings bei den Tracks — eingearbeitet, sodass sich homogen gefüllte Farbfelder bilden. Abschliessend werden einzelne Sektoren des Werkes mit Wachs bearbeitet.

Hier wie dort hält der Farbauftrag die Schwebe zwischen dem Verzicht auf illusionistische Tiefe und dem Öffnen des Bildraums. Die zuweilen dreidimensionale Wirkung in den Arbeiten von Garda Alexander, so auf S. 15/16, geht von der Reduktion auf die Technik und das Malerische der Farben selber aus. Daraus resultieren Farbräume, deren kompositorisches Zentrum lediglich eine Horizontlinie in einer komplementären Farbe bildet. Diese kann wiederum eine Bildtiefe suggerieren, so wenn inmitten einer monochromen Farbfläche ein kontrastfarbener, gelegentlich zweifarbiger reissverschlussähnlicher Strich verläuft und augenzwinkernd auf Barnett Newmans berühmte Geste verweist.

Es eröffnen sich hier vielfältige Wahrnehmungsspiele, die einerseits die Kraft der Farbe gerade in den Energie- und Farbfeldern erkennen lassen, und andererseits die zeitlose Dimension des Lichts offenbaren. Farbe und Licht lassen die Magie dieser Immaterialität und gleichzeitig das Spiel mit der Form erleben. Die Wahrnehmungsspiele beschreibt Garda Alexander als ein «Ausloten der Farbe übers Licht»: «In meiner künstlerischen Arbeit steht das Spiel mit der Farbe in Bezug zum Licht im Vordergrund. Mit der Verwendung unterschiedlicher Materialien, Oberflächen und Techniken lote ich die Wahrnehmung der Farbe übers Licht aus, um wie in einer Art Forschungsarbeit verschiedene Perspektiven aufzuzeigen.» Und sie schliesst mit einem Zitat von Wassily Kandinsky: «Die Farbe provoziert eine psychische Schwingung. Die Farbe verbirgt eine noch unbekannte, aber reale Kraft, die auf jeden Teil des menschlichen Körpers wirkt.

Vielfach arbeitet Garda Alexander parallel an verschiedenen Werkgruppen, innerhalb denen ein Dialog zwischen dem Abstrakt-Konkreten und dem Gestisch-Dynamischen stattfindet. Gemeint ist ein Dialog zwischen dem Rationalen und dem Emotionalen. Dabei erweist sich gemäss Aussage der Künstlerin die Inspiration durch die Natur als wesentlich. Der Naturbezug lässt reine Licht- und Farbimpressionen entstehen, die sich als ideale Projektionsflächen für Stimmungen, Gefühle und Energiezustände anbieten. Dunkle Felder heben sich von darüber oder daneben gelegenen hellen, lichterfüllten Zonen ab. Diese zweiteilig angelegten Bilder scheinen kontroverse innere Zustände und Befindlichkeiten wiederzugeben, welche einander bekämpfen mögen und doch zusammengehören. Durch die Brechung der Flächen und die über ihnen schwebenden Konfigurationen wird eine dynamische Wechselwirkung von Ruhe und Bewegung ausgelöst. Gleichzeitig erwecken sie Assoziationen zu Tag und Nacht, zu den Naturelementen Wasser, Erde, Luft und Feuer, welche uns in ihrer sinnlichen Wahrnehmung unmittelbar ansprechen.

 

Seinsbilder

Mit ihrem Sinn für Farbe verfolgt Garda eine mit existentiellen Themen verknüpfte Vision. Die Künstlerin selbst deutet viele ihrer Werke als Seinsbilder. Der Unberechenbarkeit allen Seins sucht sie durch Harmonisierung sowie durch die Kraft und Energie von Licht und Farbe entgegen zu treten. Man fühlt sich an das berühmte Zitat von Paul Cézanne erinnert, das lautet: «Kunst ist eine Harmonie, die parallel zur Natur verläuft». Kunst begreift Garda so als ein Werkzeug, über sich, die Welt und das Sein etwas zu erfahren. Und dies kann sich lediglich in der Auseinandersetzung mit dem Wahrnehmen und seinem Umsetzungsprozess vollziehen.

Ihr Diktum «Das Zeichensein geht im Sein auf» lässt den Dialog zwischen Sein und Zeit aufscheinen. Der Dialog gebiert Seinsformen und sucht sie in Zeitlosigkeit zu transformieren. Dies geschieht auf der Suche nach der Ganzheit sowie Gardas Befragung der Essenz des Seins. Der Humus ihres Oeuvres bildet eine positive Weltsicht und eine ungetrübte Lebensfreude. Für ihre bewundernswerte Gelassenheit, ihrem Bewusstsein für den jeweiligen gegenwärtigen Augenblick spricht, dass sie in jeglicher Konfliktsituation oder Lebenskrise eine Herausforderung für eine persönliche Weiterentwicklung, gar eine Option zur Transformation erblickt.

Die Seinsbilder von Garda Alexander widerspiegeln die Verquickung des verwendeten Materials mit inspirierenden Themen, die das Auge und die Sinne für das Gute und die Harmonie öffnen. Gemäss ihren Worten ist es ihr ein wesentliches Anliegen, «Menschen über ihre Werke zu inspirieren, zu erfreuen und vielleicht Türen zu öffnen für eine andere Art der Wahrnehmung und somit eine Tür zu ihrem SEIN».

Art Forum Ute Barth, Zürich, bis 25. Januar 2020

Katalog: Garda Alexander. Light  Colour  Form, Wolfsberg Verlag, Zürich, 2019.