DR.PHIl.I
KUNST- UND ARCHITEKTURHISTORIKERIN
AUTORIN
Andrew Bick — Variant t-s (shifted double echo), 2013–2014

Andrew Bick (1963 in Coleford, GB, lebt und arbeitet in London) benutzt als dezidierter Nachfolger des britischen Konstruktivismus das Formenrepertoire der konkreten Kunst als Material, um daraus eigene Bildkompositionen zu schaffen. Diese bestehen aus einem Geflecht architektonischer Versatzstücke und geometrischer Ausgestaltung wie bunten Dreiecks- und Trapezformen. Sie alternieren mit scharfkantigen weissen, grauen und schwarzen Strukturen und kontrastieren mit gestisch aufgetragenen Farbflächen. Bick kombiniert zahlreiche Gegensätze wie Zeichnung und Malerei, Transparenz und Undurchsichtigkeit, Linien und Flächen (mal farbig, mal ungrundiert), sowie glänzende und matte Oberflächen miteinander. Diese bildnerischen Elemente fügt er zu einer facettenreichen und unergründlichen Einheit. Ein solch vielschichtiges Gefüge zeigt auch das zweiteilige Werk «Variante t-s». Im einen Teil dominiert das – teilweise Farbflächen einschliessende – Linienkonstrukt als reduziertes Echo der in den Malereien vorherrschenden Rastersysteme. Darauf verweist auch der Werktitel «shifted double echo». Im zweiten Teil vermittelt ein Arrangement aus mehrschichtigen, bald gestischen, bald linear verstrebten Farbflächen unterschiedlicher Texturen den Eindruck räumlicher Tiefe. Dies wiederum verstärkt die architektonische Qualität von Bicks Komposition.

Vielfach ist die Bildstruktur partiell von opakem Milchglas bedeckt oder mit Wachsschichten überzogen, welche die Farben in Dunst einzuhüllen scheinen wie eine Erinnerung an ferne Zeiten. Auf diese Weise entfaltet sich das geometrische Vokabular zum gläsernen Wandobjekt. Die verschwommenen Gebilde evozieren den Geist älterer Konstruktivisten wie etwa von Marlow Moss, einer Pionierin der geometrischen Malerei und der Systems Art, mit deren Kunstauffassung Bick sich intensiv befasst hat. Ohnehin ist die Kunstgeschichte in seinem Schaffen höchst präsent und lebendig, insbesondere seine Beschäftigung mit den Vorläufern der abstrakten und konkreten Moderne. Sie stehen auch im Fokus in seiner Tätigkeit als Autor und Dozent.

Indem Bick die streng geometrischen Anordnungen mit gestischer Malerei und ungrundierten Partien belebt, zuweilen mit Milchglas verunklärt und den Objektcharakter seiner Bilder hervorhebt, verleiht er der konstruktiv-konkreten Kunst eine ungewöhnliche, poetische Dimension.

Aus: Konkrete Gegenwart — Jetzt ist immer auch ein bisschen gestern und morgen. Museum Haus Konstruktiv Zürich.

Verlag für moderne Kunst, Wien, 2019.