DR.PHIl.I
KUNST- UND ARCHITEKTURHISTORIKERIN
AUTORIN
Werner Bommer

«Im Unscheinbaren» findet Werner Bommer (*1948, Rickenbach TG, lebt und arbeitet in Zürich) «die grössten Sensationen». So, wenn ein in flirrendes Licht getauchter Baumast den ganzen Bildraum einnimmt, andernorts sich Äste eines auf einem Sandstrand wachsenden Gebüschs über ein tiefblaues Meer biegen, dessen Rauschen der Betrachtende zu hören vermeint. Immer wieder verdichten sich verzweigende Äste zu Netzwerken, die zu All-overs wuchern können. Entweder sind sie als luftig-heitere Linien- und Farbgefüge komponiert, oder sie versinken in einem bald verschatteten, bald farblich dicht bearbeiteten Bildgrund. Sie nehmen Formverläufe auf, reissen dabei Figurationen als Strandgut mit sich und gebärden sich als abstrahierte, vielfach atmosphärisch aufgeladene Kompositionen. Architektonische Gebilde und Strukturen inspirieren den Künstler zu radikaleren Abstraktionsprozessen. Etwa, wenn ein weisses, transparent wirkendes Wohnhaus, das sich geisterhaft von der schwarzen Nacht abhebt und Bommer einen Vorwand liefert, geometrische, meist farbige Flächen neben- und übereinander zu gliedern und Räumlichkeit zu erzeugen.

Malerische Komponenten entfalten da und dort eine Eigendynamik, besonders wenn der Maler fotografische Motive wie Luftbilder, Wasser, Spiegelungen, Schatten, Bäume, Stadtpläne und Gitterstrukturen als Bildgestaltungselemente verwendet. Teilweise koloriert und übermalt er die Fotografien und transformiert sie so in Malerei, wobei er das Potenzial der Fotografie und ihr Spannungsverhältnis zur Malerei ausreizt.

Es ist offenkundig, dass das Vorgefundene, das Erinnerte, Zitierte und Unscheinbare ihn immer wieder neu inspirieren. Dazu gesellen sich seine Lust am Umgang mit dem Material und den malerischen Ausdrucksmöglichkeiten, und die Experimentierfreude im Malakt. Die Malerei erkundet Werner Bommer mit ihren ureigensten Gesetzen: Dem Ausloten von Räumlichkeit im zweidimensionalen Bild mit Farbe und Form, mit flächigen und pastosen Bereichen, den Lichtphänomenen von Hell bis Dunkel, der Beziehung zwischen Figur und Grund sowie das Spiel mit unterschiedlichen Bildebenen. Schliesslich fragt der Künstler — nachdem er die Klippen des Scheiterns umfahren hat — nach der Essenz eines Bildes, respektive der Quintessenz einer Bildidee und «ab welchem Zeitpunkt es funktioniert» und er das Werk als Entität sich selbst überlassen kann.

Werner Bommer, Stiftung Kunstsammlung Albert und Melanie Rüegg, Zürich, bis 12.11.

Das Atelier ist für Besuchende donnerstags von 17–18 Uhr zugänglich sowie am Eröffnungswochenende, 2. – 4.9. 2022, Fr 12 – 18 Uhr, Sa/So 11 –17 Uhr.