DR.PHIl.I
KUNST- UND ARCHITEKTURHISTORIKERIN
AUTORIN
OHNE WORTE. Kunstdialog zwischen Kunstschaffenden und Patienten der Psychiatrie Baselland

Carlos Varela

Die Kunst des kolumbianisch-schweizerischen Künstlers Carlos Varela widerspiegelt sein Leben in verschiedenen Welten. Mit seiner zwischen dem Video- und Foto-Modus wechselnden Kamera bummelt er auf Entdeckungsreisen durch die Strassen europäischer Städte. Die Fotografien oder Videosequenzen komponiert und bearbeitet er, und druckt sie oft mit speziellen, lichtechten pigmentierten Tinten auf Leinwand. Wohl auch dank dieser Technik wirken etwa die magisch anmutenden «Tree Garden Series» unergründlich und übernatürlich. Das Skelett eines schwarzen Baumes, dessen kahles, dürres Geäst in den Himmel kragt, hebt sich von einem Hintergrund aus übereinander geschichteten, transparenten Farbfeldern ab. In den Serien «Living Trees» und «Mystical Schwarzwald» breitet sich ein dichtes Geflecht von Aststrukturen über das Bildgeviert aus. Das Geäst ruht im Dunkeln, während grell-glasiges Licht im Vorder- und Hintergrund es in hellleuchtende Farbe taucht.

Varela flaniert mit seiner Kamera durch moderne Stadtquartiere und transformiert anschliessend seine reiche Beute an Fotografien in ein kristallines Gebilde. Die Architektur wird mit der Umgebung bildlich ineinander verwoben und in mehrfarbig leuchtenden Plattformen getaucht. Dies verleiht den Stadtansichten etwas Futuristisches, so etwa «Transition», eine auf Stahlplatte gedruckte Foto-Video-Komposition.

Anlässlich einer Gruppenausstellung im Kunsthaus Baselland 2011 präsentierte Varela urbane Stadtansichten und beschrieb in seinem Statement sein Flair für «Besondere Städte und dynamische Orte. Eine Urbanität, die mich mit ihrer Energie anregt und überwältigt, wenn ich durch die Straßen streife und beobachte, indem ich von meinem Foto- auf Videokameramodus umschalte. Völlig konzentriert mische ich mich ein und konzentriere mich auf das Licht, die Architektur und die Menschen. Ich experimentiere, lasse das Objektiv auf das Licht reagieren und gehe mit dem Moment. …. Ich sehe die Welt um mich herum ganz anders. …»

 

Christian Schoch

Christian Schoch beginnt mit dem Auftrag der Farbe auf einen Träger und gelangt erst später, nach der Verwendung von Gusstechniken mit Polyurethan und nach weiteren aufwändigen Produktionsprozessen, zur eigentlichen Form seiner Werke, und diese sind vielfach dreidimensional.

Die Gemälde und Plastiken von Christian Schoch oszillieren zwischen Figuration und Abstraktion., zwischen Fläche und Räumlichkeit. Dies zeigt sich etwa an den Objekten «frozen hazard 1» und 2, oder an «Selbsthilfegruppe» und «Zentrale», alle 2018. Vollends ins Futuristische abgedriftet ist das im Raum schwebende Objekte «Space grabber».

Die zweidimensionalen Werke «Big G», «Unknown star» und «God», alle 2002, erzeugen mit geometrischen, seriell angeordneten Formmustern vibrierende Effekte. Sie beziehen sich motivisch und inhaltlich reflektierend auf die optische und kinetische Kunst der 1960- und 70-er Jahre. Im Gemälde «Unknown star» scheint über einem Grund aus vielfarbigen, parallel verlaufenden schmalen Streifen, die aus dem Bildhintergrund zu schiessen scheinen, ein sechszackiger weisser, schwarz konturierter Stern zu schweben. Andererseits meint man durch ein Loch mit ausgefransten, schwarzen Rändern auf den streifenartigen Grund zu blicken. Dieses Spiel mit der illusionistischen Räumlichkeit verleiht der Komposition einerseits eine ungeheure Dynamik, denn es wird der Eindruck vermittelt als würde der Stern oberhalb dieses strahlenartigen Bodens dahin rasen. Oftmals platziert Christian Schoch plastisch wirkende Gegenstände oder Konfigurationen wie kreuzförmige Schlenker oder Begriffe über abstrakte gemusterte Bildgründe. In«God» ist über einem Raster aus dramatisch in eine imaginäre Tiefe fluchtenden Vertikalen ein monumentaler Handschriftzug zu sehen, der an seinem Beginn und Ende unmittelbar aus den Hintergrundsfarben hervor- und wieder in sie aufzugehen scheint. Der plastisch erscheinende Schriftzug gemahnt an ein aus der Tube in Form gedrücktes Instantprodukt, was mit dem geschriebenen Begriff «God» recht irritiert.

Derart synthetisieren Christian Schochs Arbeiten diverse kunsthistorische Richtungen und führen gleichzeitig vor, wie sehr sich dank dem selbstreflexiven Sehen unser Wahrnehmungsvermögen und entsprechend Realitätsverständnis in den letzten fünfzig Jahren gewandelt hat.

 

Daniel Göttin

Daniel Göttins Affinität zur Minimal Art ist offensichtlich, auch wenn er immer wieder gerne ihre immanenten Regeln aufbricht. So zeichnet er vornehmlich in Räumen mit schwarzem, silbrigem oder farbigem Klebeband.

Auf eine Wand angebrachte Klebebandlinien können ein grosses, dichtes Netz von sich kreuzenden Linien bilden. Andernorts setzt Göttin farbige Akzente mit Teppichstücken, malt Farbstreifen und klar definierte Flächen auf Aluminiumplatten und Pavatex oder seltener füllt er das Bildgeviert mit nur einer oft leuchtenden Farbe. Seit mehr als dreissig Jahren konzentriert sich Göttin auf temporäre, ortsspezifische Interventionen und Installationen wie auch Kunst im öffentlichen Raum. Damit kann er die Wahrnehmung und die Struktur der Architekturen verstärken oder ungewohnte Aspekte hervorheben. Dabei achtet der Künstler darauf, dass der Ort durch das Kunstwerk sichtbar gemacht wird, und die Lokalität gleichzeitig das Kunstwerk sichtbar macht. Parallel zu den installativen Arbeiten entstehen Serien von Bildern und Objekten, die jeweils einem von ihm entworfenen Konzept folgen.

Gemäss seinem Statement von 2018 versteht er seine installativen Arbeiten «als Entwicklung in der zeitgenössischen Kunst, mit einfachen Mitteln und komplexen Bezügen einen temporären realen Ort zu schaffen, um direkte und unmittelbare Wahrnehmung in der Realwelt herzustellen und einen ästhetischen Austausch zwischen Menschen mit unterschiedlichstem Interesse … zu ermöglichen. … Intervention und Ort können als einheitliches ästhetisches Erlebnis, als visuell und physisch gleichberechtigter Moment der Begegnung wahrnehmbar werden.»

Sein ausserordentliches Sensorium für Räume zeigt sich auch in seinen zweidimensionalen Arbeiten. Mit formalen Wiederholungen wie etwa durch Verdoppelung, Halbierung und Addition von Flächen, Streifen und Linien erzeugt er eine Art architektonischer Muster oder betont das Objekthafte der Werke, denkt man etwa an die geformten Kreuze aus MDF.

 

Julia Laura Schäfer

Julia Laura Schäfer ist für ihre Lichtmalerei bekannt. Mit Hilfe eines Tablet-PCs und eines Projektors malt sie direkt auf die Atelierwände. Mit Langzeitbelichtungstechniken kann sie einzigartige Effekte erzielen, indem sie eine bewegte Lichtquelle, etwa ein Leuchtstab, verwendet, um ein Bild zu erzeugen und zu verändern. So formen sich Motive wie Porträts und Figurenbilder und zerfliessen wieder unter ihren Händen und entwickeln ein eigenes Leben. Köpfe scheinen unter Stromeinfluss zu vibrieren oder transparent zu sein. Körper zucken im Stroboskoplicht in abgehackten Bewegungen als eine Abfolge von stehenden Bildern. Vielleicht als Resonanz auf ihren Bachelorabschluss in Visueller Kommunikation an der Zürcher Hochschule der Künste 2015 und ihr Studium an der Yale School of Art seit 2018 in den USA interessiert sich Julia Schäfer für kollaborative Prozesse zwischen Mensch und Maschine und neue Ausdrucksformen, welche durch Tools wie «Eye-Tracking» und «maschinelles Lernen» — einem Zweig der künstlichen Intelligenz — erzeugt werden. Mittels eines Eyetrackers können Blickbewegungen analysiert und Aufzeichnungen vorgenommen werden. Dagegen geht «maschinelles Lernen» davon aus, dass Systeme unter minimaler menschlicher Intervention aus Daten lernen, Muster erkennen und Entscheidungen treffen können.

Zusammen mit Michèle Degen bildet Julia Schäfer das Kunstprojekt DUO44. Gemeinsam erarbeiten sie Konzepte und Ideen. Während Julia Schäfer eher für die grafische Umsetzung, die Ausarbeitung der Daten usw. zuständig ist, zeichnet Michèle Degen für die Texte verantwortlich. In ihren fotografischen Arbeiten verändern die jungen Künstlerinnen gewohnte Blickwinkel und Situationen mit performativer Sprengkraft. Gerne greifen sie in bestehende Strukturen in den öffentlichen Raum ein und machen sich zuweilen selbst zum Objekt, so wenn sie sich in den Fotografien von Ernst Kehrli mit Hühnern vorm Gesicht präsentieren. Gemäss ihren Worten dienen ihnen die Materialien als Mittel, um mit der Natur zu arbeiten, indem sie etwa die Grenzen des Denkens sprengen. So präsentierten sie kürzlich im Basler Kunstraum Hebel_121 Werke, die von ihren Erfahrungen aus der Arbeit in Fabriken für Medizintechnik inspiriert sind. Aus einem Teil, das zum Zusammenfügen zweier Knochen verwendet wird, entwickelten sie verschiedene hybride Objekte, frei formulierte Implantate und abstrakte Skulpturen. Auf diese originelle Weise hat der künstliche Knie- oder Hüftgelenkersatz der orthopädischen Chirurgie eine künstlerische Umsetzung erfahren.

 

Martin J. Meier

Der Bündner, in Basel lebende Kunstmaler Martin J. Meier malt traumhaft anmutende, zeitlos wirkende Landschaften. Phantastische und surreale Elemente spielen hinein, indem da und dort überdimensionale Blumen in den weiten Himmel kragen, Pflanzenblätter durch den Bildraum tanzen oder Wolkenformationen Ufo gleich durch den oberen Bildraum driften. Ohnehin sind die Kompositionen durch eine gebogene horizontale Linie in Himmel und Erde geteilt. Die Formsprache ist einfach und lebt von einer intensiven Farbigkeit, die an die Künstler der Brücke wie Ernst Ludwig Kirchner, Emil Nolde, Karl Schmidt-Rottluff und Max Pechstein u.a. erinnert. Vielfach sind die Landschaften, die dank Szenerien mit Bergseen idyllisch wirken, menschenleer; ausnahmsweise sind einsame menschliche Figuren oder Tiere darin eingebettet. Die in den letzten Jahren entstandenen Bilder nennt der Künstler «metaphysische Landschaften». Dies ist ein von Giorgio de Chirico, Mario Sironi u.a. in den 1920er Jahren entwickelter Malstil, der Martin J. Meier seinen Worten gemäss sehr inspiriert, zumal dieser sich mit inneren Zusammenhängen und Widersprüchen beschäftigt. Dies schlägt sich in seinen Kompositionen insofern nieder, als die diversen Naturformationen ineinander übergehen können: So «White Goat», 2012, eine in Blautöne getauchte Hügellandschaft mit einem einzelnen rotbedachten Haus, vor dem eine Ziege steht.

Seit seinem Atelieraufenthalt in Island 2015 verwendet Martin J. Meier die pointillistische Malweise. Durch die optische Verschmelzung und additive Farbmischung formen sich die Farbpunkte erst im Auge des Betrachtenden und aus einer gewissen Entfernung zu Gestalten. Dadurch sind die Bilder strenger durchkomponiert und das Ornamentale gewinnt an Bedeutung. Unter dem Eindruck dieser verschiedenen Kunstrichtungen hat Martin J. Meier über die Jahre hinweg eine eigene Bildsprache entwickelt, die im Unwirklichen vertraute innere Landschaften erkennen lässt.

 

Michèle Degen

Michèle Degen liebt die Schnittstelle von Wort und Bild, Sinn und Unsinn, Fragen und Antworten. Gemäss ihrer Aussage spielen Forschung, Konzeptentwicklung und Schreiben eine wichtige Rolle in ihrer Arbeit. Auch gestaltet sie Bandlogos, Schriftarten und Briefmarken bis zu Postkarten. Gerne hinterfragt sie das Offensichtliche, indem sie versucht, Normen auf experimentelle Weise zu durchbrechen und festgefahrene Denkweisen zu überwinden. Dies zeigt sich etwa anhand der Fotoserie <Vulva Versa>, welche eine Frau zeigt, die ihre Vulva im Spiegel betrachtet. Die Nahaufnahmen dieses Geschlechts sollen die Frauen inspirieren, sich selbst zu entdecken und Schamgefühle durch intime Erkundung und Wertschätzung des eigenen Körpers zu überwinden. Damit knüpft Michèle Degen an den Geist der Siebzigerjahre an, als feministische Künstlerinnen wie Louise Bourgeois (1911—2010), Valie Export (*1940) und Carolee Schneemann (1939—2019) und viele andere Beiträge zum gesellschaftlichen Diskurs über Körperlichkeit, Sexualität und Geschlechterrollen schufen.

Vor drei Jahren graduierte Michèle Degen an der Design Akademie Eindhoven (NL) und arbeitete danach in den Niederlanden bei verschiedenen Künstlern und Gestaltern.

Zusammen mit der in New York lebenden Julia Schäfer ist Michèle Degen Teil des Künstlerkollektivs DUO44. Gemeinsam erarbeiten sie Konzepte und Ideen. Michèle Degen ist für die Texte verantwortlich und Julia Schäfer eher für die grafische Umsetzung, die Ausarbeitung der Daten usw. Falls Julia Schäfer nicht vor Ort sein kann, übernimmt Michèle die Installation und Kommunikation vor Ort.

Mit der Frage nach dem Charakter und der Seinsweise von Werten machte die Künstlerineinen Abstecher in die Bildwelt von scheinbar bedeutungslosen Dingen, wie gewöhnliche Steine. Sie suchte nach der Wertschöpfung in den Dingen und betrachtete Steine aus verschiedenen Perspektiven. Einerseits beschrieb sie sie objektiv und verfasste andererseits poetische Geschichten für jeden Stein, die im Buch «ansehen kreiert das Ansehen» nachzulesen sind. Damit erlangte sie 2016 den Bachelor of Arts mit Auszeichnung. Die Gedichte kreisen um Wertkriterien und veranschaulichen, dass «Wert mit Wahrnehmung, Zustimmung und Bedürfnis zusammenhängt».

 

Peter Baer

Peter Bear kann auf ein ungeheuer reiches Oeuvre zurückblicken. Er ist ein ewig Lernender und als Suchender pendelt er zwischen den Welten, zwischen physischen und geistigen. Anfänglich vom oft symbolisch überhöhten Figurativen ausgehend, arbeitet der Künstler in Zyklen. Bald findet er zur Abstraktion mit Farbflecken auf weissem Grund. Fast zehn Jahre später greift er wiederum figürliche Motive und symbolische Inhalte auf und lässt sie in grenzenlos anmutenden, glasartigen Räumen treiben. Ein Aufenthalt in New York trägt zur Veränderung der Grössenverhältnisse und der Dimensionen von Mensch und Raum bei. Die Figuren und der Raum gewinnen an Plastizität, die Farben und die Hell-Dunkel-Kontraste erfahren eine expressive Steigerung und explodieren in Grossformaten und Triptychen. Einerseits entstehen dunkle, nächtliche Bilder wie «Durchbruch» oder die Abendmalszene «Der Tisch», oder ungeheuer dichte Kompositionen wie «Spiegel». Dabei ist es nicht unerheblich zu erwähnen, dass für ihn «schwarz-weisse Bilder mit Licht und Finsternis zu tun» haben. Vornehmlich sind es dichte, erdenschwere, von Farben getränkte Kompositionen. Sie wechseln sich ab mit hellen, lichten, fast transparenten Bildern, die gespiesen sind von einer sich ins Unendliche drängenden Sehnsucht. Diese manifestiert sich in sehr hellen, mit weissen Flächen behandelten Bilder, die sich im Laufe der Zeit zu riesigen Weissflächen mit entgrenzenden Dimensionen, etwa in «Kosmisches Drama» oder in «Kosmisches Geschehen» entfalten.

Werke wie «Kleiner Durchbruch», «Der Meteor» oder «Wolkenreiter» erscheinen mir als die Quintessenz des Schaffens von Peter Baer, was ein Diktum von ihm illustrieren möge: «Es gibt Dinge, die mit dem Verstand nicht zu fassen sind, das ist es genau, was mit meiner Malerei zu tun hat.»

 

Ursula Pfister

Ursula Pfister arbeitet experimentell und projektbezogen, oft zusammen mit diversen anderen Kunstschaffenden. Stein- und Blattformen wie auch Muscheln dominieren die Motivwahl der Werke. Oft entfalten sie sich vor dem Hintergrund von feinen Liniengeflechten und setzen sich ab von Streifen aus leuchtstarken Farbtönen und solchen aus pastellfarbigen Aufträgen. Die so aufeinander folgenden Streifen weisen Rhythmen auf, die einer musikalischen Sequenz vergleichbar sind. Die Kompositionen sind klar aufgeteilt zwischen farbigen, konkreten, klar definierten Streifen und Naturformen sowie zwischen Liniengeflechten. Dies zeigt etwa die «Blütengeschichte in Gelb» sehr charakteristisch.

Den Maluntergrund, oft Pavatex, bezieht Ursula Pfister mit einem Utoplexpapier. Darauf trägt sie mittels Monotypie mit Kupferdruckfarbe ein Liniengeflecht auf. Da sich das Liniengeflecht hinter dem Utoplexpapier befindet, wird mit dem Einfall von Sonnenstrahlen eine Art Dreidimensionalität erzeugt. Werden diverse Farbflächen übereinander gelegt, schimmern die unteren, mit feinen Strichen bearbeiteten Schichten hindurch. Von hinten nach vorne bemalte Glanzfolien werden dann über Farbstreifen und Motive gelegt. Dies ergibt eine plastische Wirkung mit verschwommenen und skizzenhaften Tiefenräumen.

Allerdings variieren die Auftragstechniken und Materialien der Künstlerin stark. Einmal ist es eine kompakte Masse aus Acryl, Quarz und Sand, die sie mit einem Spachtel aufträgt, um diese dann mit einem Harzüberzug zu bearbeiten; ein anderes Mal tritt das Ritzen und eine Konstruktion, die das Plexiglas einschliesst, in den Vordergrund.

Da das Prozessuale im Schaffen der Künstlerin eminent wichtig ist, arbeitet sie immer in Serien, die sich durch zwei oder mehrere Werke zusammensetzen und so die Werkentwicklung offenbaren. Dabei wird evident, dass die durch Wahrnehmungen geschärfte Empirie im Umgang mit Farben und Formen, Räumlichkeit und Fläche, mit dem Einzelnen und dem rhythmisierten Gesamtklang die Essenz der Werke ausmacht.

 

Alexandra vom Endt

Die Fotografie steht im Zentrum der Arbeiten von Alexandra vom Endt. Sie dient ihr zur Visualisierung von Erinnerungen. Neben fotografischen Zeitdokumenten und Bildern von geschichtsträchtigen Örtlichkeiten bilden alte Pläne die Grundlage für ganze Werkzyklen. So bot der Fund von alten Ansichtskarten auf einem französischen Flohmarkt 2017 den Anlass für die Werkreihe «Ansichtssache», die unter dem traumatischen Eindruck der Sprengungen des IS den möglichen Verlust von Kulturgütern auch in Europa thematisiert. Den Touch von vergangenen Zeiten erreicht die Künstlerin beispielsweise, indem sie Diapositive zerkratzt, oder Farbschichten ablaugt und andere wieder aufträgt. In einer Fotografie kann man im Hintergrund eine an einer Siegesallee stehende Statue erkennen, während der Vordergrund handschriftliche Notizen einnimmt und daneben ein schwarzer Schlenker vor diffusem Hintergrund in die Fotografie ragt.

So erinnern die Arbeiten zuweilen an Palimpseste. Damit ist die Entschlüsselung der Spuren einer alten Schrift in der festgelegten neuen gemeint. Das Palimpsest eignet sich wunderbar zum Verständnis der tiefer liegenden Strukturen etwa einer Stadtkultur oder wie im vorliegenden Fall der Überlagerung des persönlichen durch das kollektive Gedächtnis. So lesen wir die Schichtungen im Boden von Städten als das Interferieren von Geschichten, denn der Boden ist das Ergebnis einer vorausgegangenen Vergangenheit, respektive die physische Grundlage für alle Prozesse der Gegenwart.

Die in der Ausstellung «Ohne Worte» in der Psychiatrie Baselland präsentierten Arbeiten muten recht abstrakt an. Diese Wirkung stellt sich ein dank den zwischen Plexiglasscheiben auf mehreren Ebenen montierten Digitalbildern auf Transparentfolie. Von unten beleuchtet, entstehen Objekte, die zwischen Collage und Lichtkunst oszillieren, was neue Bilder zur Folge hat. Sie gewähren Ein- und Durchblicke und locken in ein Labyrinth voller Rätsel.

 

OHNE Worte. Teilnehmende der Kunsttherapie und Kunstschaffende im Dialog.

Katalog der Ausstellung in der Psychiatrie Baselland, bis 30.11.2021.