DR.PHIl.I
KUNST- UND ARCHITEKTURHISTORIKERIN
AUTORIN
Louis Schlumberger — The Surreal is Real

Aus einem düsteren, von Grüntönen nur knapp erleuchteten Hintergrund glimmt unter vielen, pastosen Farbschichten das Gesicht einer Frau vage hervor. <Remember Afghanistan>, 2022, heisst das grossformatige Gemälde und birgt für Louis Schlumberger (* 1962, Basel) das Wiedererblühen von Afghanistan, das nur von den Frauen ausgehen könne. Als Vorlage diente das 1985 in der Zeitschrift NATIONAL GEOGRAFIC erschienene und dann weltweit verbreitete Porträt eines paschtunischen Mädchens mit markanten grünen Augen des Fotografen Steve McCurry. So wie die Frauen unter der aktuellen Führung geschunden werden, so malträtierte der Künstler das schöne Bild des Flüchtlingskindes mit Asphaltlack und weiteren aggressiven Mitteln. Stets trägt Schlumberger viele Schichten aus verschiedensten Materialien in gestisch abstrakt gestalteten Farbrhythmen auf. Im Bildgrund scheinen Wesen als fahle Schatten oder dunkle Flecken mit archaischen, dämonischen oder engelhaften Zügen auf, die in unsichtbaren Welten agieren, seien es in futuristischen oder versunkenen Städten, in Unterwasserwelten oder in (brennenden) Regenwäldern. Mitunter mögen sie unsere inneren widerstreitenden Stimmen und Gefühle wiedergeben. In <The Masters of the Universe>, 2021, wird der Betrachtende unmittelbar mit der zusammengeballten Kraft aus zahllosen dunklen, unheimlichen Fratzen und schwer fassbaren Gestalten konfrontiert, die in einem perspektivisch verengten Raum vor lauter Gier und Machthunger vibrieren. Davor möchten sich allesamt mit einem Munch’schen Schrei retten, wie in <The Lock Freeze>, 2021, der in ergreifender Weise im Bild- und im realen Raum erschallt.

Durch einen intensiven Malprozess nähert sich der Künstler einem jeweiligen ökologischen, zivilgesellschaftlichen oder politischen Thema an. Im Verlauf seiner kritischen Befragung, welche sich im phasenweisen Farb- und Materialauftrag manifestiert, entstehen eigentliche Seelenlandschaften. Diese repräsentieren eine mystische Welt, die für den Künstler ebenso wahrnehm- und erfahrbar ist wie unsere reale Welt. So mag Paul Klees berühmtes Dictum «Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar» auch für das Oeuvre von Louis Schlumberger gelten.

Nach einem jahrelangen Arbeitsunterbruch hat er sich wieder passioniert seinem künstlerischen Schaffen zugewandt. Noch vor 2006 hatte der Künstler mit grossformatigen Gemälden in der internationalen Kunstszene mit Ausstellungen in namhaften Galerien in der Schweiz und in London auf sich aufmerksam gemacht. Nun präsentiert die Galerie Sarasin Art einen Querschnitt durch sein aktuelles Schaffen.

Galerie Sarasin Art, Basel, 1.9 -. bis 1.10. 2022

www.sarasinart.ch.