DR.PHIl.I
KUNST- UND ARCHITEKTURHISTORIKERIN
AUTORIN
Eine Frau ist eine Frau ist eine Frau ... Kunst von Künstlerinnen

Monographische Ausstellungen von Künstlerinnen liegen seit den letzten Jahren im Trend. Nun fanden es die Kuratorinnen sowohl des Aargauer Kunsthauses als auch des Kunstmuseums Basel an der Zeit der Untervertretung von Künstlerinnen in Museen entgegenzuwirken. Für parallel stattfindende Ausstellungen entwickelten sie ein Konzept, sich dem feministischen Erbe in der Kunstforschung unter verschiedenen Perspektiven zu nähern. Während sich die hier besprochene Ausstellung im Aargauer Kunsthaus der Geschichte von Künstlerinnen zwischen den 1970er und 1990er Jahren widmet, zeigt das Kunstmuseum Basel, dass „Humor und Satire … passende Motive für ein feministisches Vakabular“ liefert. Hatten doch schon die Guerrilla Girls, eine anonym operierende Künstlerinnengruppe, mit Witz und Humor in den 1980er Jahren mit öffentlichen Auftritten und Aktionen auf Sexismus und Ausgrenzung in Politik, der Kunst- und Kulturwelt aufmerksam gemacht.

Anhand der Werke von mehr als vierzig Künstlerinnen nähert sich die Gastkuratorin Elisabeth Bronfen im Aargauer Kunsthaus der Kunstgeschichte der weiblichen Kreativität. Befragt wird ihr Einfluss auf die Kunstströmungen wie auch die Erinnerungskultur. Unter dem etwas irritierenden Ausstellungstitel — mit Bezug auf Gertrude Steins „A Rose is a rose is a rose is a rose“ — ist hier eine breite Palette von Vertreterinnen der so genannten zweiten Welle des Feminismus in Europa und Nordamerika versammelt, Künstlerinnen wie Meret Oppenheim, Louise Bourgeois, Heidi Bucher über Cécile Hummel, Silvia Bächli bis zu Rosina Kuhn, Sonja Sekula und Muda Mathis. Erstmals wurde es den Frauen in den 1960er- und 1970er Jahren ermöglicht, an den hiesigen Kunsthochschulen zu studieren. „Mit einem vom feministischen Diskurs um sexuelle Differenz geschärften Blick“ auf die Kunst von Künstlerinnen beleuchtet die Kuratorin Elisabeth Bronfen die Eigenart der Schweizerischen Klassischen Moderne und Postmoderne. Immer wieder stellt sie einen Rückbezug auf die Vorgängergeneration her, etwa zu Sophie Taeuber-Arp, Alice Baily und Alis Guggenheim. Unter Dekonstruktionen des „typisch“ Weiblichen ist die Ausstellung in fünf Teile gegliedert: Körperbilder, Interieurs, Selbstbildnisse, Pop Art und surrealistischen Aspekte. Mit diesen Kapiteln entfaltet Bronfen eine Erzählung, die mit der Identitätssuche in der Körperlichkeit und Selbstbildnissen ihren Anfang nimmt. Das Portrait dient vornehmlich einer Dekonstruktion der gängigen weiblichen Selbstdarstellung. Klaudia Schifferles starkes, fratzenhaftes Doppelporträt „Fräulein Wunderbar“ mit aufgerissenen Augen und verzerrt wirkenden Gesichtszügen lässt eine heftige Innenwelt erahnen.

Jenseits von normativen oder erotisch aufgeladenen Bildern des „Frauseins“ unter einem männlichen Blick werden so ungewohnte Bildwelten, konträre künstlerische Arbeitsweisen und ihr ungeheurer Facettenreichtum ergründet. Als Reaktion auf die jahrhundertelangen fremdbestimmten Frauen- und Aktdarstellungen wird der Rundgang mit beeindruckenden Fotoarbeiten des eigenen Körpers eröffnet; nämlich mit der prominent wirkenden grossformatigen Fotoserie von Hannah Villiger, die einzelne Körperteile plastisch überhöht. Dazu gesellt sich Marianne Müller, die sich in Schwarzweißfotos als weibliche Junggesellenmaschine à la Marcel Duchamp inszeniert. Die Körperdarstellungen offenbaren gemäß Elisabeth Bronfen den doppelten Blick, den die Frauen auf sich als auch auf ihre Erscheinung haben.

In krassem Gegensatz zu dieser fulminant gefeierten Körperlichkeit verorten sich Visualisierungen des sich auflösenden Körpers in atmosphärisch dichten Bildwelten. In den Kohlezeichnungen „Morgengrauen“ unterwandert Miriam Cahn mit Inbrunst typisch weibliche Selbstdarstellungen, indem sie eine Metamorphose zwischen Frau und Vogel schildern. In fast immateriell wirkenden Bildchiffren stellt sich Leiko Ikemura in dem schemenhaften Bild „Shadow“ und der Papierarbeit o.T. von 1980, die eine geisterhafte Figur zeigt, dem Unsagbaren als Schwebezustand zwischen Sein und Nichtsein. Dem Nichtsein und dem Tod begegnen wir in einer Reihe von Werken: etwa in Ella Lanz’ existentiell eindringlichen Selbstporträts, die sie in Zwiesprache mit einem Totenschädel zeigen.

Eine Entdeckung ist neben dem Revival von ehemals renommierten und mittlerweile vergessenen Künstlerinnen Doris Stauffer, Mitbegründerin der F&F-Schule und der Frauenbefreiungsbewegung (FBB) 1969. Ihre Assemblagen und „Hexenkurse“ ab 1977 bildeten einen subversiven Kommentar zur damaligen engen weiblichen Lebenswelt. Ihre Arbeit war geprägt von feministischen Aktionen, etwa die „Misswa(h)l“ als Reaktion auf einen Schönheitswettbewerb. Viele ihrer Werke, so das „Patriarchalische Panoptikum“, richteten sich gegen das herrschende Patriarchat, mit denen sie eine weitreichende Wirkung auf spätere Generationen ausübte und übt. Doris Stauffers Assemblage „Schneewittchen und die acht Geisslein“ besteht aus einem großen, weißen Kopfkissen mit acht Topfdeckeln, die wie Zitzen wirken. Sie findet in der fast zeitgleichen Ausstellung „Fun Feminism“ im Kunstmuseum Basel ein Echo in Aline Stalders Kletterwand aus Keramik gefertigten Frauenbrüsten als Griffe mit dem Wortspiel „Touch me — get high“. Diese Ausstellung hat gemäß dem Kuratorium den Anspruch, „Ironie und Witz zu nutzen, um patriarchalische Strukturen mit einem Augenzwinkern offenzulegen und bloßzustellen“. Dies kann ich nicht ganz nachvollziehen, denn abgesehen von Silvie Fleurys anthropomorpher Stoffrakete, den Collagen von Marianne Wex, die genderspezifische Körpersprache als Folge von patriarchalen Strukturen aufzeigen, oder den Fotografien von Muda Mathis & Sus Zwick begegnete ich nicht vielen humorvollen Werken. Vielmehr erzeugte die bedrückende Fotoserie von Paz Errázuriz, die transgender Sexarbeiterinnen zur Zeit der Militärdiktatur Pinochets dokumentierte, sowie das Video „Qu’un Sang Impure“ von Pauline Curnier Jardin, das ältere, inhaftierte und leidende, Frauen unter der ständigen Kontrolle eines Wärters vorführt, in mir Beklommenheit.

in: Kunstforum International Bd. 285

Aargauer Kunsthaus Aarau, 27-8.2022 bis 15.1.2023. Booklet mit Künstlerinnenbiografien und ausgewählten Werkbesprechungen.

Fun Feminism, Haus für Gegenwart des Kunstmuseums Basel, 24.9.2022 bis 19.3.2023