DR.PHIl.I
KUNST- UND ARCHITEKTURHISTORIKERIN
AUTORIN
Bernd Ribbeck Ohne Titel, 2015, Acryl, Kugelschreiber, Pigment-Marker auf Holzfaserplatte

Die kleinformatigen Bilder von Bernd Ribbeck (*1974, Köln, DE, lebt in Berlin, DE) zeigen stets Anordnungen geometrischer Formen, die mit Acryl, Kugelschreiber oder Permanent-Markern und Lackstiften auf MDF-Platten aufgetragen sind. Die Kompositionen bestehen aus vielen sich überlagernden, unterschiedlich gemalten Farbschichten und geometrischen Linien, die immer wieder abgerieben und erneuert werden, sodass das Bild wie in den Bildträger hineingetrieben und fest mit ihm verbunden zu sein scheint. Dieser Eindruck verstärkt sich dadurch, dass Ribbeck die meisten Tafeln abschliessend mit Bootslack bestreicht und dadurch einen einheitlichen Glanz erzeugt, der räumliche Tiefe suggeriert. Diese Tiefe wird noch unterstützt durch eine von dunklen Tönen getragene, intensive Farbigkeit.

Die symmetrisch angelegten Formationen weisen allein durch das innere Leuchten, das Ribbeck durch starke Kontraste und den Einsatz von Weiss-, Gelb- und Orangetönen erzeugt, über sich hinaus. Gleichzeitig entsteht eine Spannung aus verwischten, offenen Flächen und geometrischen Linien, eine Bildsprache, die auf einer Synthese aus logischen und offenen Ordnungssystemen und der tiefgreifenden Wirkkraft der Farben beruht.

So verströmt die Malerei des ehemaligen Meisterschülers von Helmut Federle keineswegs die abweisende, kühle Objektivität der konkreten Kunst. Ribbeck greift auf das reiche Formenvokabular der klassischen Moderne zurück und lässt bekannte formale Muster, Strukturen und Zeichen – Anlehnungen etwa an den Orphischen Kubismus von Robert und Sonia Delaunay oder an die facettierten Kompositionen von Lyonel Feininger – in seine oft kaleidoskopartig und kristallin wirkenden Bildformulierungen einfliessen. Ribbecks Arbeiten erwecken die genuine Verknüpfung von geometrischer Abstraktion und metaphysischen Sphären zu neuem Leben: es entfaltet sich in einem Bildraum von wunderbar ausgestalteten Oberflächen und angedeuteten Hintergründen.

Auch wenn der Künstler kaum den utopischen Zukunftsglauben der Moderne teilt, so sind es doch die Haltungen jener Zeit und manche ihrer bereits verloren geglaubten Inhalte, die hier wieder neu zur Sprache kommen, beispielsweise die von Theo van Doesburg formulierte «Erscheinung einer reinen, in sich selbst bestehenden Harmonie».[1] Gerade angesichts der tiefgreifenden Veränderungen der heutigen Gesellschaft, die Katastrophenszenarien jedweder Art bereithalten, wächst die Sehnsucht nach einer Halt gebenden Ordnung. Entsprechend erscheint eine nach elementaren und harmonischen Gesetzmässigkeiten aufgebaute Bildwelt wie die von Bernd Ribbeck aktueller denn je.

[1] Vgl. Theo van Doesburg, vgl. hierzu Werner Haftmann, in: Malerei im 20. Jahrhundert, Bd. 1, München, 6. Aufl. 1979, S. 463.