DR.PHIl.I
KUNST- UND ARCHITEKTURHISTORIKERIN
AUTORIN
Armand Rondez — Werke aus den Sechzigerjahren

Das Oeuvre des vor 33 Jahren verstorbenen, faszinierenden Armand Rondez oszilliert in seiner Heterogenität zwischen Figuration und Abstraktion und ist geprägt von bewegten, verhaltenen Kompositionen in Naturfarben sowie von experimenteller Neugier. Nun sind seine Werke aus seinen Aufbruchszeiten zu entdecken.

Im Foyer blickt dem Publikum ein «grossäugiges Schneckengebilde» entgegen. «Es frisst mir die Zeit», liess Armand Rondez (*1928, Zürich) 1986 verlauten. Seine Zeit war in der Tat sehr begrenzt. Fünf Jahre nach seiner 1980 ausgebrochenen Krankheit fühlte er sich geheilt und voller Pläne, um einen Neuanfang in Mendrisio zu wagen. Dort wollte er im Haus seiner Tochter ein Radieratelier einrichten, doch unvermittelt wurde er im Mai 1986 vom Tode überrascht. Seit dem Ausbruch seiner Krankheit folgte in malerischer Hinsicht eine intensive Zeit. Er gestaltete Werke aus inneren Impulsen, einer innerweltlichen Vision. Eigentlich hatte er sich sein Leben lang mit philosophischen Fragen auseinandergesetzt und sich besonders seit dem Tode seiner Mutter 1968 immer wieder mit dem Mysterium des Todes befasst.

Die Quelle zu diesen Werken finden sich in den Sechzigerjahren, die für Armand Rondez eine ungeheuer inspirierende Zeit war: Neben der Fantastik von Alfred Kubin, Gustav Meyrink und Michail Bulgakov befasste er sich eingehend mit der Kabbala, dem Buddhismus, der Dichtung und immer wieder nährte ihn der Dialog mit der Natur. Ein oft auftauchendes menschliches oder tierisches Auge, das den Betrachtenden durchdringend, hinterfragend oder nachdenklich anblickt, verrät einen christlich-mystischen Bezug. Formal trugen Neokubismus, zweite Ecole de Paris, Formen des Expressionismus, der Lyrismus von Paul Klee, der Surrealismus zum künstlerischen Wachstum von Rondez bei. Seine Landschaften, Stillleben und Porträts in gedämpfter Farbgebung erfuhren eine zunehmende Abstraktion und Geometrisierung. Die Farbpalette hellt sich auf und huldigt zunehmend dem Licht als Manifest des Lebens. Inspiriert von Jean Dubuffet trägt Rondez reinen und farbvermischten Gips, Sand und Teer auf die Leinwand auf. Andernorts wird eine schwungvolle Linie zum Ausdruckträger der spontanen Bewegung. Bald setzt der Künstler mit wenigen Pinselstrichen eine provisorische Ordnung, welche Spuren, Farbbalken, Streifen und Flecken verortet. Er lässt organisch anmutende Formen auf kantige geometrische Bildelemente prallen, welche in weiteren Arbeiten in blaue, offene Bildräume münden. Während einige Werke die Auseinandersetzung mit dem Goldenen Schnitt verraten, wird die Textur der Farbe in Verbindung mit dem Malgrund und der Geste zum neuen Element. Auch kombiniert Rondez streifen- und gitterartige Radierungen und Collagen, und versetzt diese wiederum mit Poesiesplittern, Symbolismen des Mittelalters und des Altertums, welche panoptikumsartig Fenster auf gigantische Zeiträume öffnen.

Armand Rondez, Bioggio Gemeindehaus, 21.6.-20.10. 2019              www.bioggio.ch